Geschichte Pfarrei Osterhofen
Geschichte der Stadtpfarrei und ihrer Pfarrkirche
1. Die Anfänge
Im Jahre 1220 weihte Propst Garungus vom Prämonstratenserstift Osterhofen (1195−1227) die Spitalkirche dem hl. Antonius dem Einsiedler. Das Spital war kurz vorher errichtet worden, denn “um 1200 schleppten Kreuzfahrer den Aussatz nach Europa ein und entstanden damals Leprosenhäuser und Antonikirchen, wie dies auch in Osterhofen der Fall war” (Ortschronik). Das erklärt, warum man das Hospital — weitab von der Niederlassung der Bamberger Ministerialen in Pöding wie auch von der Klostersiedlung — an die alte Heer- und Handelsstraße stellte. Die Lepra war gefürchtet wie die Pest.
Da lag es nun, einsam am Ufer des (späteren) Mühlbachs, ein autonomes Hospiz, ausgestattet mit Wiesen, Feldern und Wald, mit Vieh und einer eigenen Mühle, mit Rechten und Stiftungen (Albrecht von Hals, der Vogt der Herrschaft Osterhofen, tat — vor allen — eine große Stiftung zum Gotteshaus daselbst), eine Zuflucht der Bedürftigen. Geistlich wurde es von den Konventualen der Norbertiner betreut.
Probst Gerung war ein weitsichtiger, entschlossener Mann. Im Jahr 1192 war es (unter seinem Vorgänger Propst Walther) wegen Grenz‑, Jagd- und Advokatiestreitigkeiten zwischen Albert III. von Bogen, Ottokar von Böhmen und Leopold von Österreich einerseits und den Grafen von Ortenburg und dem Herzog von Bayern andrerseits zum offenen Krieg gekommen. “Mit Feuer und Schwert wurde gewütet, weder Altäre noch Heiligtümer geschont und gegen die Menschen ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht gerast” (Sittersberger). Als Kaiser Heinrich VI. endlich Frieden gebot, lagen Osterhofens Klostergüter verwüstet. Propst Walther schied am 15. März 1195 aus Schmerz über die Verheerungen aus dem Leben. Sein Nachfolger Gerung übernimmt ein schweres Erbe. Aber er packt an, räumt auf und baut auf und hält Umschau nach Helfern in der Not. Und er findet sie: Herzog Otto von Österreich gewährt “zur Wiedergutmachung und zur Erlösung seines Vaters Leopold” gewisse Privilegien.
Der Bischof von Passau überträgt Marktrechte, der Bischof von Bamberg schenkt Wald etc.. Nachdem Gerung sein Haus bestellt hat, beginnt er nach außen zu wirken — besetzt 1218 Maria Schlag im Mühlviertel mit Prämonstratensermönchen (die Zisterzienser haben aufgegeben), favorisiert die Spitalgründung zu Osterhofen (auf Klostergrund) und konsekriert 1218 die Sankt Antonius Spitalkirche (s.o.). Damit wird Propst Gerung der Vater unserer Pfarrkirche.
2. Nach der Stadtgründung
1378 gründete Landgraf Johann der Ältere von Leuchtenberg Graf zu Hals (s. Osterhofener Hefte) die Stadt Osterhofen, indem er den alten Markt am Stift an einen anderen Ort verlegte und zur Stadt erhob. Die Antonius Spitalkirche wird Stadtpfarrkirche. Und der Landgraf stiftet als erster eine tägliche Messe.
Betreut wird die Stadtpfarrei als Filialkirche des benachbarten Stiftes Osterhofen von sog. excurrierenden, ab 1695 dann von exponierten Konventualen (Patres im Außendienst), die man Stadtseelsorger nannte. Im Gedenkbuch der Antonibruderschaft (Ludwig Heinrich Krick) sind sie aufgeführt — vom ersten exkurrierenden Pater Friedrich (+ 1425) bis zum letzten Joseph Schmidtner (+ 1686) und vom ersten exponierten Pater Pöck (1693 — 1709) bis zum letzten Ignaz Prunner (1773−75); 1783 wurde das Stift aufgehoben, Osterhofen wird königliche Expositur der säkularisierten Damenstiftpfarrei (s. 3.).
Sehr viel tut sich in der Pfarrkirche zu Osterhofen nicht. Da halten die Bruderschaften des hl. Antoni und des hl. Sebastiani sowie die Handwerkszünfte ihre gewöhnlichen (gewohnten) Jahrtäge, auch ist das ganze Jahr hindurch eine gestiftete Messe (s.o.) von “uralten Zeiten” her. Was auffällt, es gibt keinen Sonntagsgottesdienst. Der wurde in der St. Georgenkirche am Georgiplatz (s. “Osterhofen um 1800” s. 32ff) gelesen, die um 1400 von der verwittibten Landgräfin Kunigunde von Leuchtenberg (Schwiegertochter des Stadtgründers) “aus Teilen ihrer Burg” am westlichen Stadtrand errichtet wurde und für die nach Kunigundes Tod Abt Martin Wirtinger (1430−37) erneut verfügte, dass dort “alle Sonn- und Feiertage die von Alters her je und je gewöhnliche Messe fortgelesen werde”.
Ansonsten rufen die Gläubigen der Stadt die Glocken der Klosterkirche nach Altenmarkt. Verständlich, dass die Stadtleut das ändern möchten. 1509 versucht die Antonibruderschaft einen Weltgeistlichen zu erwirken — vergeblich. 1555 wird ein amtliches Begehren des Raths der Stadt wie folgt verbeschieden, dass “gemeiner Stadt allda alle Feyertag im Antoni-Gotteshaus morgens eine Stadtmeß ohngefähr zwischen sechs und sieben Uhr gelesen und darzu das Evangelium mit gebührlicher Auslegung geprediget werde … Dagegen soll gemeiner Rath die andere Stadtmeß (in St. Georg) ungehalten fallen lassen”.
Ausgenommen von der Regelung sind alle hohen Festtage; die werden nach wie vor in der Klosterkirche begangen. Dafür soll jedoch “von der Kirche des hl. Antonius bis zum Kloster der Weg so hergestellt werden, dass 2 Personen nebeneinander gehen können”. Das geschieht. Der Weg nach Altenmarkt, der durch den hereinfließenden Singerbach des öfteren unter Wasser steht, wird mit Steinplatten ausgelegt, woher der lange Zeit gebräuchliche Name Steinweg seinen Ursprung hat. Eine Fahrstraße entsteht erst, als in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts die kgl. Ostbahn nach Passau gebaut wird; aus dem Steinweg wird die Bahnhofstraße.
Erst das Jahr 1595 bringt einen Wandel. 1593 war der Prior Michael Vögele (Grabplatte am Südportal der Kirche) als Abt bestätigt worden, und dieser hervorragende Mann, der durch constantia fidei (die Festigkeit im Glauben), scientia literarum (seine Gelehrsamkeit), vita ac morum honestate (die Makellosigkeit seines Lebenswandels) glänzte, tut alles, um die von der Reformation arg gebeutelte Glaubenswelt in und außerhalb des Stiftes wieder herzustellen. So entsendet er den ehrwürdigen geistlichen Herrn Paulus Sturm als Stadtseelsorger und Stadtprediger in die Stadt: Die Conventuales hätten zwar bisher die Wochenmessen in der Stadt verrichtet, aber die Kranken seien oftmals ohne christlichen Trost geblieben, Beichthören und Reichung des allerheiligesten Altarsakraments des weiten Weges und versperrten Convents wegen nicht gewährleistet gewesen und Neugeborene aus Mangel eines gesessenen Priesters ungetauft abgeschieden. Als obrister Pfarrherr dieses Ortes möchte er dieser auf dem Halse liegenden Last enthoben sein und habe deshalb genannten Herrn Paulus, “den wir für einen ehrbaren priesterlichen alten Mann ansehen” deputieret.
“Er solle alle Feiertage durch das Jahr im St. Antoni Gotteshaus Gottesdienst und Predikatur mit sonderlicher Andacht und reinem Gewissen sowie alle Wochen am Montag, Mittwoch und Freytag die Frühmesse Sommerszeiten um 7 Uhr und Winterszeiten um 8 Uhr verrichten, solle die Hochzeiten der Bürgerschaft auf der Kanzel verkünden und hernach dieselben einsegnen, solle auch durch das Jahr die kranken Leut, die es begehren, providieren. Er selbst solle sich fromblich und erbarlich verhalten, gute Exempel geben, sich des Trunks und jeglicher Gesellschaft nicht lassen belustigen, vielmehr gottesfürchtig sein, einen eingezogenen priesterlichen Wandel führen, damit sich eine ganze Gemain an ihm nicht ärgern thue, seinem Amte und Berufe treu nachkommen und sich davon durch nichts Weltliches verhindern oder abhalten lassen”. Streng warns dero Gnaden!
Einen weiteren Schritt zur Normalität bringt das Jahr 1693. 1675 war Michael II. Steinmayr zum Abt erwählt worden, ein hochangesehener Mann — Abbas rarus cunctis carus (ein Abt wie kaum seinesgleichen, allen lieb und wert), Patriae patrum Deputatus (Ständeabgeordneter), Salomon prudentiae (Salomon gleich an Weisheit), Cicero eloquentiae (ein Cicero an Beredsamkeit), septem librorum author (Autor von 7 marianischen Büchern). Er erläßt im April 1693 einen Revers den “dasigen Seelsorger betreffend” und verfügt, dass “wegen vieler Supplicen des Raths allhier” an Sonn- und Feiertagen ein gesungenes Amt vergönnt werde — mit Ausnahme der hohen Festtage, “maßen sie (die Bürger) an solchen Festtagen schuldig sind, den Gottesdienst in der Haupt- und Klosterkirche zu frequentieren”. Kindstaufen können weiterhin in der Stadtkirche vorgenommen werden, desgleichen die Hochzeiten, wobei das Bescheidessen in natura ins Schulhaus (eine Schule gab es seit ca. 1550, sie befand sich auf dem Kirchplatz, heute Polifke Nr. 9 u. wurde von Patres betreut) zu tragen sei, auch könne man denen alten und bresthaften Leuten in der Spitalkirche die Beicht und Communion mittheilen, wo auch wie bisher die Kinder- und Christenlehr abzuhalten ist. Seit 1695 werden die exkurrierenden Konventualen durch einen exponierten Seelsorger ersetzt, der sich nunmehr auf Dauer und ausschließlich der Stadtseelsorge widmet. Osterhofen wurde damit vor 320 Jahren Expositur des Stifts Osterhofen.
3. Nach der Klosteraufhebung
Am 29. Dezember wurde das Prämonstratenserstift Osterhofen “wegen Oberschuldung” kurzerhand aufgelöst. Das 18. Jahrhundert hatte viel Unglück gebracht: Am 24. Juni 1701 legte Blitzschlag das Kloster in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau der Klostergebäude unter Abt Ferdinand Schöller (1701−17) sowie der Kirche unter den Äbten Joseph Mari (1727−27) und Paul Wieninger (1727−65) kostete viel Geld. Dazu kamen die Lasten des anschließenden Großen Bairischen Krieges (des Österreich. Erbfolgekriegs). Von 1741 – 45 war das Stift siebenmal Hauptquartier der feindlichen Österreicher, deren Heerlager sich bis nach Thundorf erstreckte. Die Felder waren verheert, Wälder und Fluren leergejagt, die Gewässer leergefischt. Die Schuldenlast belief sich auf 300.000 Gulden, das war 1/3 des Wertes der Liegenschaften. Das Kloster wäre zu retten gewesen, hätte nicht die Säkularisierung von 1803 ihre Schatten vorausgeworfen. So aber schlossen sich die Pforten, die Mönche zerstreuten sich, fanden da und dort als Expositi Dienste. Abt Michael III. Liggleder allein behielt das Wohnrecht, dazu eine jährliche Pension von 600 Gulden. Er nahm sie nicht lange in Anspruch. Am 17. Juli 1784 verschied der letzte Abt, der 57. Propst des Prämonstratenserstifts an “gebrochenem Herzen”. Osterhofen wurde Weltliche Expositur der Damenstiftspfarrei Osterhofen und durch königliches Dekret vom 17. August 1818 organisiert. Krick führt in seiner Chronologie der Seelsorger die Expositi auf, unter ihnen zwei Exnorbertianer von Osterhofen — Norbert von Limböckh (1784 bis 87) und Florian Duschl (1787 bis 1805). Mit Michael Breu wird der erste Weltgeistliche Expositus (1825 bis 36); Johann Baptist Ritzinger ist der letzte (1864 bis 95; Pfarrer der eigenständigen Pfarrei bis 1901).
Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des genannten kgl. Stadtpfarrexpositus M. Breu von 1826 können wir die “in der Stadtpfarrexpositur gewöhnlichen Funktionen” entnehmen:
a) Die vorhandene einzige Spitalkirche (St. Georg war dem großen Stadtbrand von 1811 zum Opfer gefallen) feiert ihr Hauptpatrozinium am Sonntag vor Antonius dem Einsiedel (17.1.) als Hauptpatron des Gotteshauses, das Nebenpatrozinium am Sonntag nach Sebastianus Märtyrer (20.1.) als Nebenpatron des Gotteshauses mit der hierorts noch bestehenden St. Antoni und St. Sebastiani Bruderschaft als feierliches Amt mit Predigt und 2 Vespern.
b) An Sonn- und Festtagen wird der hl. Gottesdienst im Winter um 8 1/2 Uhr und im Sommer um 8 Uhr gehalten. Der bey dem Gottesdienst gewöhnliche (übliche) Unterricht bestehet abwechslungsweise in Predigten, in Homilien (Bibelauslegungen) und in so genannten Christenlehrreden (= z.B. Hinweise zum Sakramentenempfang).
c) Vor den Gottesdiensten ist hierorts gar keine Andacht gewöhnlich, denn es ist kein Seitengang in der Kirche, es ist kein Kirchhof bey der Kirche und auch kein so genanntes Seelenhaus (Aussegnungshalle) vorhanden.
i) In der Schule wird von dem Pfarrexpositus der Religionsunterricht nach vollständigem Katechismus wochentlich zweymal ertheilt.
k) Den Werk- und Feiertags-Schulpflichtigen wird der nöthige Unterricht zum würdigen Empfang der hl. Sakramente besonders und eigens ertheilt.
Die Sankt Antonius Spitalkirche beschreibt er wie folgt:
a) Die gemauerte Kirche mit einem hölzernen Gewölbe und mit einem Thurm ohne Uhr, worin 4 kleine Glocken angebracht sind, ist etliche 80 Schuh lang und bey 40 Schuh breit.
d) Der Hochaltar mit dem Bild des hl. Antonius nebst 2 hölzernen Statuen und dem Tabernakel sowie die zwey Seitenaltäre mit einer hölzernen Frauenstatue hier und dem hl. Sebastian dort, auch von Holz geschnitzt — alle 3 Altäre hätten sehr nothwendig restauriert zu werden.
f) Wohl ist ein Beichtstuhl, eine Kanzel und ein Sacrarium vorhanden aber kein Taufstein.
g) Die Kirche begreift 12 Männer- und 16 Weiberstühle und eine Emporkirche, ist also viel zu klein; ober der Emporkirche befindet sich der Musikchor mit einer Orgel samt einem Kasten für die Musikalien und Instrumente.
h) Ein Missionskreuz, 15 Kreuzwegtafeln, ein Mariaebild, eine Statue des hl. Joseph und des hl. Johannes von Nepomuk, beide von Holz geschnitzt, sind die ganze Wandverzierung.
“Zum Beschlusse” — so der Stadtpfarrexpositus Breu — “muß die Bemerkung gemacht werden, dass sowohl das Gebäude der Kirche als die innere Einrichtung derselben samt apparat (Gerätschaften) und Paramenten einer Verbesserung und weiteren Vervollkommnung höchst bedürftig wären und durch die Mittel der Spitalkirche auch so manches geleistet werden könnte.”
4. Abbruch der Spitalkirche
Dem zuletzt genannten Stadtpfarrerexpositus Ritzinger war es vergönnt, den jahrzehntelangen Wunsch der Stadt nach einer neuen Kirche, einem eigenen Friedhof und einer selbständigen Pfarrei verwirklichen zu helfen.
Ende des Jahres 1864 wurde der Kooperator Johann B. Ritzinger von Passau (nach 6 Jahren Seelsorge in St. Paul) als Stadtpfarrexpositus nach Osterhofen admittiert. Als er sich am Fest Johannes Ev. bei Bischof Heinrich verabschiedete, gab ihm dieser mit dem oberhirtlichen Segen die Worte mit: “Ziehe hin in Gottes Namen und sey glücklicher als ich. Seit 25 Jahren arbeite ich für Osterhofens Kirchenbau ganz vergebens; vielleicht hat Gott Dich dazu bestimmt, ihm ein Haus zu bauen (Pfarrchronik Ritzinger m.p.).”
Über seine erste Begegnung mit der St. Antonius Spitalkirche schreibt der Chronist: “Als ich am Tage der Unschuldigen Kinder (28.12.) 1864 in unsere alte, gestützte, äußerst schmutzige und vernachlässigte Kirche trat, fühlte ich mich schmerzlich ergriffen. Damals schon gelobte und opferte ich Gott für die Erbauung eines würdigen Tempels all meine Kraft.”
Den Akten entnahm er, dass man bereits seit 1823 um einen Kirchenbau bemüht war (1818 war per kgl. Dekret die Verwaltung des kirchlichen Vermögens von der Pfarrei Damenstift auf den Magistrat der Stadt übertragen worden; s. 3. Abs. 1) und er gewann die Überzeugung, dass man keine neue Kirche erhalten habe, weil man von maßgebender Seite keine wollte: Die Pfarrei Damenstift sah eine unliebsame Konkurrenz, der Stadtschreiber hortete das beträchtliche Vermögen (Die goldene Henne legte auch ihm dann und wann ein goldenes Ei), und die Brauer opponierten gegen den vorgesehenen Bierpfennig zum Zwecke des Kirchenbaus. Überall sei Eigennutz im Spiel. Bereits 1861 war die Kirche für irreparabel erklärt worden. Seitdem diskutiere man endlos und erfolglos, wem sie denn gehöre, ob man sie überhaupt abbrechen dürfe, wohin die neue Kirche zu stellen sei. Man machte Pläne und verwarf sie, während der ehrwürdige Bau “unzähliche Male durch Unzucht profaniert wurde”.
Es musste etwas geschehen. Vordringlich war die Bereitstellung einer Notkirche. “Im Verlauf des Sommers 1865 wurden die Sprünge in den Mauern so bedeutend, dass die Wände von innen und außen gestützt und mit Schlaudern geklammert werden mussten, wollte man das Gotteshaus ohne Lebensgefahr betreten. Beim Läuten auch nur einer Glocke wankte die Gibelmauer und die Kluft klappte auf und zu, der Mauersand rieselte aus den Fugen und ein Mörtelbrocken nach dem anderen polterte die Stiege herab. Anno 1866 dato 29. Jan. ordnete das Kreisbauamt Landshut “zur Verhütung drohenden Unglücks” an, sofort den Turm abzutragen, was rasch in Angriff genommen wurde. “Wir hörten fortan keine Glocke läuten und der Schlag der Stadtthurmuhr theilte unseren Arbeiten die nöthige Zeit zu und war Signal für die Gottesdienste. Am 1. Februar 1866 abends gegen 8 Uhr und wieder gegen 9 Uhr stürzte unter mächtigem Gepolter ein Theil des Deckenverputzes auf die Kirchenstühle nieder.”
Nun endlich griff man durch, voran der Herr Landrichter, ihm folgend der Magistrat, der am 2. Feber per Placat die Kirche als geschlossen erklärte. Bürgermeister Stangl erstattete beim Bezirksamt Vilshofen Bericht, worauf die definitive Schließung der Kirche verfügt wurde. Am 3. d.M. las Stadtpfarrer Ritzinger die hl. Messe in der Stiftskirche.
Inzwischen gingen die Bemühungen um eine Interimskirche erfolgreich weiter, so dass man am 22. Februar 1866 den Fastenmayerstadel (die ehem. Westermayersche Tabakfabrik; s. “Osterhofen um 1800” S. 14) für 6.000 Gulden aufkaufen konnte. Das Geld hatte ein Consortium unter Leitung des Districtsarztes Dr. Kufner durch Spenden Osterhofener Bürger aufgebracht.
Am 10. März war die Einrichtung der Notkirche so weit vollendet, dass man beim Ordinariat die Benediktion beantragen konnte: “Die Gesellschaft Kufner und Consortium erlaubt sich hiermit anzuzeigen, dass der Fastenmayerstadel am 22. Februar 1866 durch verbrieften Ankauf erworben worden ist, um ihn der Stadtgemeinde als Nothkirche zur Verfügung zu stellen, was hiermit auch geschieht. Schließlich macht die Gesellschaft sich verbindlich, besagtes Gebäude zum Zwecke eines Spitals, Armen- und Krankenhauses seiner Zeit wieder abzutreten, wenn dasselbe zu kirchlichen Zwecken nicht mehr benützt werden sollte.” Am 13. März wird die Benediktion der Interimskirche durch den Geistlichen Rat Wallner, Dekan von Vilshofen … in geziemender Form und erhebender Weise” vollzogen.
Am Karsamstag (31.3.) versammelt sich die Gemeinde zur Auferstehungsfeier in der Behelfskirche und am 24. April predigt Bischof Heinrich anlässlich seines fünftägigen Firmaufenthalts in der Pfarrei Damenstift in der Notkirche und lobt das bisher Vollbrachte. Der Kirchenneubau steht freilich noch bevor.
5. Die Sepultur
Verlassen wir an dieser Stelle die Geschicke der Pfarrkirche und wenden wir uns einem anderen, lange verfolgten Anliegen der Stadt und der Expositur zu — einer eigenen Sepultur. Die Verstorbenen müssen bis dato im Friedhof der Pfarrei Damenstift bestattet werden, was als Ärgernis und Schmach empfunden wird.
Am 16. März 1865 kommt es nun zu einer Magistratssitzung, in der über die Erwerbung eines geeigneten Grundstückes für einen eigenen städtischen Friedhof befunden wurde. Die Wahl fiel auf das heutige Gelände, damals zwischen der Wasenmeisterei Sandner am Breinbach und dem Tierfriedhof draußen in der östlichsten Siegstatt gelegen (s. “Osterhofen um 1800” S. 61 ff), so dass auch die Gesundheitsbehörde nicht protestieren konnte, “zumalen der Abdecker in unmittelbarer Nähe der Stadt seine Cadavera unter pestilenzischem Gestank aufarbeite”.
Nachdem unterm 18. Mai 1865 das Ordinariat die selbständige Sepultur befürwortet und am 29. Jan. 66 die Regierung dieselbe genehmigt hatte, wurde am 22. Februar mit den Erdarbeiten begonnen. Der Bau der Anlage ging rasch voran: am 4. Oktober meldete der Magistrat dem Ordinariat die Fertigstellung und bat um Benediktion, die am 22ten Octobris ao 66 — wiederum durch Dekan Wallner vor dem Gottesackerchristus, einer Gabe der Privatierseheleute Thurmayer, feierlich vollzogen wurde.
Wie es der liebe Gott oder der Zufall will, stirbt am nämlichen Tag ein Kind, das am 24. Oktober im neuen Friedhof beerdigt wird — nicht jedoch vom Stadtpfarrer sondern von Pfarrer Schreiner der Damenstiftpfarrei. Die Stadtbevölkerung war empört, hatte man doch mit der Errichtung eines eigenen Friedhofs — wie versprochen — auch auf eine eigenständige Sepultur gehofft. Es hagelte Proteste, so dass seine bischöfliche Exzellenz sub 28ten Juni 1867 die Erlaubnis der Vornahme aller Begräbnisse gestattete — allerdings gegen Entrichtung eines jährlichen Aversums von 100 Gulden an die Pfarrei Damenstift, “damit die dortigen Pfarrverbandsverhältnisse durch den Verlust der Sepultur Osterhofen nicht zu sehr alterirt würden”. Das liebe Geld! Der eine wills, der andere wills nicht lassen.
6. Der Kirchenneubau
Nachdem die Spitalkirche gesperrt, notdürftig gesichert und ausgeräumt war und die Notkirche bezogen (mit der man 6 Jahre lang schwere Zeiten durchlitt; s. “Osterhofen um 1800” S. 49ff), wurde ein Neubau akut. Das wussten alle, Befürworter und Gegner, auch die welche ex officio dafür und inoffiziell dagegen waren. Am 6. Februar 1868 reisen gleich 2 Deputationen zur Regierung nach Landshut. Wortführer der oppositionellen Bräuer war der Tierarzt, Brauer und Gastwirt Sandner. Die Regierung schickt eine Delegation, am 3. August wird die Erlaubnis zur Einlegung (zum Abbruch) gewährt, die jedoch erst in der Magistratssitzung vom 14. Januar 69 (gegen die Stimmung der Brauer) beschlossen wird und am 19.2.69 beginnt.
Wer oder was war schuld an der Verzögerung? Nach der o.g. regierungsamtlichen Verfügung vom 3.8. verfügten sich Kreisbaubeamter Herrter, Baubeamter Schmid und Bezirksamtmann Gaßinger nach Osterhofen, ließen Ausmessungen vornehmen und schließlich auf dem Stadtplatz (!) den Standort für die neue Kirche ausstecken. Das brachte die Volksseele zum Kochen. Die Bürger standen auf wie ein Mann. Man remonstrierte durch die Feder eines kgl. Advokaten, und die Magistratsräte Hartan, Loibl (Lebzelter), Thurmayr (Handelsmann) und Haellmayer (Zinngießer und Glaser) reisten “in geheimer Mission” nach München (ihre Cylinderhüte ließen sie sich zur Bahn nachtragen). Vor höchster Stelle entschied endlich ein Brief des Grafen Preysing von der kgl. Hofkammer die Standortfrage: Die Kirche dürfe auf dem alten Platz bleiben. Gott sei Dank!
Das Jahr 1870 stand zwar im Zeichen des Deutsch-Französ. Krieges, dennoch begannen im Februar die Arbeiten für die neue Kirche. Als Baumeister fungierte der Bauunternehmer und Bürgermeister Bartholomäus Hartan, Bauherr war der städtische Magistrat (dem ja 1818 die Zuständigkeit übertragen worden war). Die Widerstände, insbes. von Seiten der Brauer, hörten keineswegs auf, obwohl der kgl. Malzaufschläger Herzog mit Genehmigung des kgl. Oberaufschlagsamtes den Malzaufschlag (den Bierpfennig) für den Kirchenbau bereits percipirte.
Ende 71 gingen die Glocken und der Kreuzweg in Auftrag. Zuständig dafür war die Pfarrei. Das Geläute goß der Glockenmeister Gugg in Passau, die romanischen Ornamente auf den Glocken entwarf Prof. Ott von München. Den Kreuzweg fertigte Basler in Simbach. Die Orgel, ein Kunstwerk seiner Art, baute der Passauer Orgelbauer Hechenberger. Spenden und Liebesgaben der Bevölkerung halfen die hohen Unkosten decken.
So schritt der Kirchenbau zügig seiner Vollendung entgegen. Am 27. März kamen die Glocken, wurden festlich von der Stadtgrenze zur Kirche geleitet und tags darauf aufgezogen. Am 30. März benedizierte Pfarrer Ritzinger das vergoldete Turmkreuz. Am 24. April hob der Bischof (anläßlich der Firmung in der Pfarrei Damenstift) einige der aus früheren Jahrhunderten bestehenden Recesse auf, die man konserviert hatte, “um das altherkömmliche Dependenzverhältnis zur Pfarrei Damenstift nicht zu alteriren”: Der Stadtpfarrei wurde nun endlich zugestanden, ihre Kirchenfeste, Predigten, Taufen etc. eigenmächtig vorzunehmen.
Am 22ten Octobris ao 1872 endlich (auf den Tag 6 Jahre nach der Benediktion des Friedhofs) konsekrierte seine Exzellenz Bischof Heinrich von Passau die neue Stadtkirche zum hl. Kreuz. An die Kirchenweihe schloß sich eine zehntägige unvergeßliche Mission durch Patres der Redemptoristen. Die Kosten für den “Tempel und Kunstbau” (wie Stadtschreiber Bauernfeind die Kirche in einem Hymnus preist) beliefen sich auf 53.000 Gulden.
7. Die eigenständige Pfarrei
Ich muß noch einmal etwas ausholen: Im Jahre 1767 taten sich mehrere Leute von Stadt und Land zusammen und verpflichteten sich, alle Wochen 1 Kreuzer zu entrichten, damit — inclusive diverser Legate — täglich eine Frühmesse gelesen werden konnte, die sog. Kreuzermesse des Kreuzermeßbundes. Der letzte “Kreuzermeßbundfrühmesseleser” war Joseph Nickl, der am 30.7.1872 nach langem Leiden verstarb. Bereits im März 72 war zur Aushilfe für den schwerkranken Nickl der Seminarpräfekt Braumandl von Passau als Coadjutor des Expositus nach Osterhofen admittiert worden.
Um diesen Aushilfspriester für immer zu behalten, versuchte man die Coadjutur in eine Cooperatur umzuwandeln. Da weder das Ordinariat noch die Mutterpfarrei Damenstift Mittel gewährten, blieb nur der Weg über den besagten Kreuzermeßbund. Das Vorhaben gelang. Als dem Bund 1878 ein testamentarisches Legat des 77 verstorbenen Privatiers Simon Mayer in Höhe von 16.000 Gulden zufiel, wurde der Kreuzermeßbund in ein Benefizium bischöflicher Collation umgewandelt. Der erste Mayer’sche Messeleser wurde Nikolaus Endl am 17. Juli 78. Ein wichtiger Schritt in Richtung eigenständige Pfarrei war getan.
Diese personell gestärkte Pfarrei verstärkte — zusammen mit dem Magistrat — die kirchlich/caritativen Aktivitäten: Die Installation des Kreuzwegs 1873 sowie die Errichtung des großen Kruzifixes hinter der Kirche 74 wurden mit 40stündigem Gebet, Predigt und allgemeiner Beicht während der 3 Fastnachtstage zu einem so großen Erfolg, dass man daran festhielt. Anno 1874 wurden auch das neue Spital mit Armenhaus und Kinderbewahranstalt sowie das Districtskrankenhaus vollendet.
Bei der Einweihung des Leichenhauses im Friedhof am Aschermittwoch (14.2.) 1876 sagte Stadtpfarrexpositus Ritzinger: “Es erübrigt jetzt noch die Erhebung der Expositur zu einer Stadtpfarrei, die Erbauung eines Pfarrhofes wie die Übergabe des Krankenhauses und des Spitals an barmherzige Schwestern.” Diese drei Anliegen unterbreitete der Expositus auch dem neuen Bischof Joseph Franz (Bischof Heinrich war am 15. Mai 1875 verstorben), als dieser am 16. Juni nach Osterhofen kam und als erster Bischof in der Stadtkirche firmte. In Sachen Expositur bekundete er Wohlwollen, verwies jedoch auf die Vordringlichkeit eines eigenen Pfarrhofes. Wer aber sollte den beschaffen? Die Stadt war nicht willens, die Pfarrei nicht in der Lage.
Im Rahmen dieser lebhaften öffentlichen Diskussion hatte ein gewisser Privatier Georg Peyerl geäußert, er sei nicht abgeneigt, sein Haus in der Vorstadt (heute Vorstadt 20) der Kirche nach seinem Tode zu übereignen. Nun, Peyerl erfreute sich guter Gesundheit, und so kam es erst Jahre später (1892 nach dem Ableben der Witwe Katharina Peyerl) zur beabsichtigten Schenkung (s. “Osterhofen um 1800” S. 78/79).
Das gibt mir Zeit, den geneigten Leser ein wenig in die “gute alte Zeit” zurückzuführen. Wohl — gut Ding braucht Weile, aber ebenso gilt, dass, wo die Feldfrucht spärlich reift, das Unkraut wuchert. Mit anderen Worten: Es gab Ärger und Zwietracht in der ehrwürdigen Herzogsstadt, man schob den Schwarzen Peter für die leidige Verzögerung von einem zum andern.
Vorbeben hatte es schon beim Kirchenbau gegeben, insbes. wegen des Bierpfennigs. Das Hauptbeben, das die Bürgerschaft in ihren Grundfesten erschüttern sollte, brach 1875 aus: Am 30 Juni starb die Witwe eines stadtbekannten Brauers — angeblich an Strychnin. Gegen den Ehemann wurde Mordanklage erhoben. Dieser flieht nach Amerika, wird in London gestellt und ausgeliefert. Das Schwurgericht in Straubing spricht ihn aus Mangel an Beweisen frei, die öffentliche Meinung spricht von einem ungesühnten Mord und — als der Angeklagte am 26.8.76 die Kellnerin, mit der er Ehebruch beging, kirchlich ehelicht — von Blasphemie. Der einst so renommierte Mann, ohne den in Osterhofen nichts lief, wird gemieden wie die Pest. Als er wenig später stirbt, verweigert die Pfarrei die Glocken, der Magistrat (in dem immer noch ein paar seiner Freunde sitzen) besteht darauf, denn die Glocken hängen in der stadteigenen Kirche.
Der Streit greift über auf die Kirchenbänke, für sie gilt dasselbe. Man beansprucht Beamtenstühle, will jedoch kein Stuhlgeld entrichten, worauf die Kirchenverwaltung sie nicht säubern läßt. Man legt dem Pfarrer zur Last, dass er die Weiber in den Männerstühlen dulde und man opponiert gegen den neuen Ölberg in der Taufkapelle, weil dadurch der Notausgang (bei 4 Kirchentüren) blockiert werde usw. usf.
Im Jahre 82 folgt dem vorgenannten Fall der Eklat Bauernfeind. Der versierte, allseits respektierte Stadtschreiber (er verfaßte 74 die Stadtchronik) wird betrügerischer Veruntreuung von öffentlichen Geldern (von Krankenhausgeldern, Sparkassengeldern, Schulumlagen, Diäten, Hundesteuern, Vereinsgeldern etc.) bezichtigt, in Deggendorf zu 6 Monaten Freiheitsentzug verurteilt und in Amberg arretiert. (Er kommt nach Verbüßung der Strafe nach Osterhofen zurück, wo er das Heimatrecht hat, und übt bis zu seinem Tode 94 hier die Profession eines Volksanwalts = eines Winkeladvokaten aus.)
Dennoch — trotz aller Turbulenzen — geht es Schritt für Schritt voran. Am 1. Oktober 1883 kommen die ersten 3 Mallersdorfer Schwestern vom III. Orden des hl. Franziskus mit einer Schaffnerin ans Distriktkrankenhaus (nicht zuletzt dank der Vermittlung des Berirksraths Graf Preysing), 86 folgen weitere für das Bürgerspital (Vorläufer des Caritasheims).
Am 13. März stirbt Bischof Joseph Franz von Weckert, sein Nachfolger wird der Generalvikar des Erzbistums München-Freising Dr. Michael von Rampf, ein “mutiger, umsichtiger und weiser Mann” (Leidl). Sein Anliegen war es, die Position der Kirche gegenüber der liberalen Regierung Lutz zu stärken. In seiner Regentschaft gründet er 43 neue Pfarreien (darunter Osterhofen) und 19 Exposituren. Die Zeichen stehen also gut. Am 27. Juli 91 segnet Frau Katharina Peyerl (s.o.) das Zeitliche. Bürgermeister Sell übernimmt das als Pfarrhof designierte Anwesen in der Vorstadt zu treuen Händen. Der Weg zu einer eigenständigen Pfarrei ist frei.
1895 ist es dann so weit. Die allerhöchste Entschließung Nr. 2484 zur Erhebung der kgl. Expositur Osterhofen zur selbständigen Pfarrei datiert vom 24. März 1895. “Wir — Luitpold, von Gottes Gnaden königlicher Prinz von Bayern, Regent — finden uns allergnädigst bewogen, die Erhebung der Expositur Osterhofen, Bezirksamt Vilshofen, zur Pfarrei unter nachstehenden Bestimmungen zu genehmigen…”. Daraufhin fertigen Kirchenverwaltung und Magistrat den “herzustellenden Stiftungsbrief”, auf Grund dessen die Oberhirtliche Konfirmation sub 18. Mai erfolgt. “Wir — Michael, von Gottes Barmherzigkeit und des Apostolischen Stuhles Gnaden Bischof von Passau — wollen nach Maßgabe des Konkordates die Stadtpfarrei kanonisch errichten und errichten dieselbe … unter Erhebung der bisherigen Expositurkirche zum heiligen Kreuz in der Stadt Osterhofen zur Pfarrkirche.”
Am 1. Juni laufen die o.g. Urkunden hier ein und werden “am Pfingstmontag (3. Juni) durch den H.H. Geistlichen Rath Dekan Achatz von Vilshofen inter solemnia dem Pfarrvolke publicirt”. Provisor in spiritualibus und regierungsamtlicher Verweser wird der bisherige Expositus Johann B. Ritzinger.
Ein Wermutstropfen im Kelch der allgemeinen Freude war der Tod des früheren Bau- und Bürgermeisters Bartolomäus Hartan, der 1871/72 die Stadtpfarrkirche erbaut hatte. Vom Giebel des (noch nicht ganz vollendeten) neuen Schulhauses am Kirchplatz (heute Sparkasse am Marienplatz) wehte die Trauerfahne.
Mit Entschließung vom 4. August 95 wurde Pfarrexpositus Johann Baptist Ritzinger zum Stadtpfarrer von Osterhofen ernannt, am 20. August erfolgte in Passau die Investitur, am 8. September die feierliche Installation unter allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung. “Es war der schönste Tag in meinem Leben”, schreibt Ritzinger in seinem Diarium.
Unsere Historie möge ausklingen mit dem großen Bürgerfest, das am Samstag und Sonntag zu Ehren der Stadtpfarrei und ihres Stadtpfarrers von den “dankbaren Söhnen Kolpings” (= vom Gesellenverein, dessen Präses Ritzinger war) ausgerichtet und von jung und alt begeistert begangen wurde — mit Fackelzug und Serenade vor dem Wohnhaus Ritzingers (der heutigen Hypobank), abendlichem Standkonzert der Passauer Stadtkapelle im Postkeller (dem Preysingkeller in Pöding), Kirchenzug und festlichem Hohen Amt, das der Kirchenchor unter der Direktion des H.H. Benefiziaten Peter Griesbacher (der von 1895 bis 1911 als Meyer’scher Messeleser in Osterhofen weilte) umrahmte, Festmahl in der Alten Post (am Stadtplatz) und Kellerfest am Abend “in den Kellerlokalitäten (Neißendorferkeller eingangs der Siegstatt, später Dr. Rüth) der Neuen Post (in der Vorstadt, später Oswald).
An seinem Namenstag, dem 24. Juni 1896 wurde Stadtpfarrer Ritzinger (zusammen mit Bürgermeister Ludwig Sell) die Ehrenbürgerwürde verliehen. Er hatte seiner Gemeinde 32 lange Jahre in Schmerzen gedient, leitete die Stadtpfarrei noch bis 1901 und verstarb als Commorant in Osterhofen im Kriegsjahr 1914.
Möge unsere Pfarrgemeinde ihres langen, mühe- und leidvollen Weges durch die Jahrhunderte stets eingedenk bleiben und in Eintracht und innerem Frieden ihre Zukunft mit Augenmaß, fester Hand und gläubigem Herzen gestalten.
Johann Heinrich Schön (100 Jahre Stadtpfarrei Osterhofen, 1895 — 1995)
Hilfreiche Stellen und Quellen:
Bischöfliches Archiv Passau
- August Leidl, Das Bistum Passau
- Ludwig Heinrich Krick, Seelsorgsvorstände und Benefiziaten des Bistums Passau bis 1911
Staatsarchiv Landshut
Hauptstaatsarchiv München
Ortschronik F.J. Bauernfeind von Osterhofen
Stiftschronik J.N. Sittersberger von Osterhofen
Pfarrchronik J.B. Ritzinger von Osterhofen
Osterhofener Hefte J.H. Schön
- Osterhofen um 1800
- Landgraf Johann 1. von Leuchtenberg
- Osterhofen in alten Ansichten
- Festschrift zur 600jährigen Wiederkehr der Stadterhebung 1378